Dr. Albert Kümmel-Schnur

Medea

Inszenierung mit 3 Studentinnen der theatre studies der University of Ulster/Coleraine Campus, 1993. Aufführung u.a. am Playhouse Derry.

„Medea“ wurde radikal als Tragödie über die Erniedrigung und Selbstermächtigung von Frauen inszeniert. In einer weißen Salzwüste – der Boden bestand aus einer 10 cm dicken Salzschicht – lebt Medea völlig abgeschnitten von ihren archaischen, weiblichen Kräften – sie bewegt sich steif auf hohen Kothurnen, die Hände sind umhüllt, das Haar von einem Schleier verdeckt, die Augen verschwinden hinter einer Sonnebrille.
Der Mord an ihren Kindern ist die tragische Wende des Stücks: Rückkehr zu den Wurzeln, Befreiung von allem Ballast, aber um den Preis radikaler Entmenschlichung. Medea entkleidet sich völlig, bemalt ihren Körper, zieht einen dunklen, weiten Mantel an und setzt eine Götzenmaske auf. Sie hat wieder Kraft, aber sie ist kein Mensch mehr.

Bereits im Bühnenbild wurde ein dreifach gebrochener Bezug auf das griechische Tragödietheater genommen: das Bühnenbild stellte die Ruine einer Skene dar – ein Tor, eingefallene Säulen, gebrochene Balken öffneten sich auf eine quadratische Salzwüste. Im Hintergrund stand eine Reproduktion von Anselm Feuerbachs Iphigenien-Bild – DER Darstellung des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach dem antiken Griechenland. Eine rot bezogene Chaiselongue vervollständigte als paradigmatisches Möbel die Schicht 19. Jahrhundert. Dort, wo im Guckkastentheater des 18./19. Jahrhunderts die Souffleursmuschel zu sehen war, stand ein Fernseher, der Kriegsbilder des 20. Jahrhunderts zeigte. Diesem Stück wird – so oder so – der Krieg souffliert.