Dr. Albert Kümmel-Schnur

IGNIS PICTURALIS. Die Passion des Itsuki Yanai

Ein Kribbeln, ein Jucken. Zunächst. Dann beginnt es zu brennen. Es brennt, während die Glieder zucken, der Himmel aufreißt, Arme und Beine taub werden und absterben. Vom Mutterkornpilz befallener Roggen löste im Mittelalter das Feuer des Heiligen Antonius, das ignis sacer, aus. Der Mönchsvater Antonius schützte die Kranken, aber er war auch Herr des Feuers. Sünder mussten brennen – ein Vorgeschmack des Fege- oder gar des Höllenfeuers.

 

1977 lässt der japanische Maler Itsuki Yanaï sich anstecken. Mit einem Stipendium war er nach Europa gekommen. Nun steht er vor dem berühmtesten Kunstwerk des Antoniterordens, dem 1515 fertig gestellten Isenheimer Altar von Mathis Nidhart Gothart, genannt Grünewald. Überwältigt beschließt er, sein Leben zu ändern: er zieht nach Colmar, um dem Altar nahe zu sein und ihn zu kopieren. Fast dreißig Jahre lang arbeitet er an der Kopie, dann stirbt er in Japan, ohne die Arbeit zu beenden.

 

Das Noise-Art-Kollektiv Stoertebeker (Manuel Stettner, Albert Kümmel-Schnur, Marius Probst) geht dem Brand, den der Isenheimer Altar in dem japanischen Maler entzündet hat, nach. In einer mehrräumigen Installation folgt es den Brandblasen und dokumentiert diesen ungewöhnlichen Fall einer Bildbesessenheit – einer Krankheit zum Tode.