Dr. Albert Kümmel-Schnur

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Kriegspornographie

„Kriegspornografie: die Bilderfolter von Abu Ghraib“, in: Helmut Seng (Hg.): Krieg und Kultur, Konstanz: KUV 2007, S. 187-208.

Warum, um alles in der Welt, noch einmal Abu Ghraib, könnte man sich fragen? Haben wir nicht mehr als genug davon gesehen: that was more information than I wanted but thanks for sharing…. Wir waren doch, wie man so sagt, schon auf der sicheren Seite. Abu Ghraib schien längst vergessen, dem medialen Aufmerksamkeitsstrom entzogen. Da war der Tsunami in Indonesien, die Bundestagswahlen, die Angela Merkel als erster Frau die Kanzlerschaft eintrugen, die Pattsituation der italienischen Demokratie, der Mord an Denis Donaldson, eines führenden Politikers von Sinn Fein, der über 20 Jahre für den britischen Geheimdienst gearbeitet hatte, die Inhaftierung des Paten der Paten und, schließlich, jene 167 „Großfernseher“ (Südkurier 12.4.2006, S. K 23), die konstanzer Wirte für die Fußball-WM angemeldet haben – Serien von Meldungen, die frühere Meldungen unter sich begruben und unterschiedslos in ein tiefes Vergessen stürzten. Aber Lethe, der Strom des Vergessens, ist nicht an jeder Stelle gleich tief, es gibt flache Furten, bei denen man auf den Grund sehen kann. Lethe fließt auch nicht gleichmäßig: da gibt es Wirbel und Strudel, aber auch ruhige, breite Stellen, an denen das Wasser fast zum Stehen kommt. Und manchmal drückt ein Hochwasser längst Vergessenes aus den Kloaken wieder nach oben.